Digitale Selbstbestimmung: Kiezkarthograph
Mit unserer Konzeptstudie der Kiezkarthograph entwickeln wir einen Lösungsansatz, mit dem wir Bürger*innen zu aktiven Mitgestalter*innen datengetriebener Stadtentwicklung machen möchten. Über ein digitales Dashboard erhalten die Anwohner*innen eines Kiezes die Möglichkeit, die Informationsgrundlage stadtplanerischer Entscheidungen zu verstehen und ihre eigene Perspektive in die Planungsprozesse einzubringen. Ein zentrales Element bildet dabei die Möglichkeit, die Informationsgrundlage für stadtplanerische Entscheidungen mit ihren eigenen Daten über eine Datenspende anzureichern.
Der Kiezkartograph mit Datenspende
Wie viele Entscheidungsmechanismen findet auch Stadtplanung zunehmend basierend auf digitalen Daten statt. Je nach Projekt gestaltet sich die Datenlage für die entscheidenden Akteur*innen (z.B. Stadtplaner*innen) jedoch häufig unterschiedlich gut. Zum einen bestehen rechtliche, technische und organisatorische Hürden, bereits bestehende Informationen über verschiedene Speicherorte und Formate hinweg zu konsolidieren, bedeutungsvoll aufzubereiten und anzuwenden. Andererseits ist die Informationsgrundlage für Planer*innen aber auch noch gar nicht in ausreichendem Umfang und Detail vorhanden. Das gilt etwa für Informationen darüber, wo sich Bürger*innen im städtischen Raum gerne aufhalten und wo nicht (und aus welchen Gründen), oder über günstig oder ungünstig empfundene Wegstrecken in Quartieren. Derlei Informationen über alltägliche Lebensweisen und Vorlieben von Bürger*innen kann insbesondere eine städtische Verwaltung mit herkömmlichen Mitteln aus einer Vielzahl an Gründen kaum erheben. So kann es zu aufwändig sein, Informationen etwa über die CO2-Belastung in Quartieren engmaschig zu erfassen. Auch können datenschutzrechtliche Gründe dagegen sprechen. Zum Beispiel lassen sich Daten, die tiefgehende Einblicke in das Privatleben der Bürger*innen erlauben (zum Beispiel Bewegungsdaten) oftmals nur mit deren Einwilligung erheben – oder man anonymisiert die Daten, was jedoch mit einem erheblichen Informationsverlust einhergeht.
Durch diese Schwierigkeiten werden stadtplanerische Entscheidungen oft auf Basis von Informationen getroffen, die Interessen und Bedarfe von Bürger*innen nur unzureichend abbilden und dadurch sowohl die objektiven stadtplanerischen Ziele nicht optimal erreichen als auch aus Sicht vieler Bürger*innen sogar als nachteilhaft empfunden werden. Mit unserer Konzeptstudie eines digitalen Bürger*innen-Dashboards entwickeln wir einen Lösungsansatz, mit dem wir Bürger*innen zu aktiven Mitgestalter*innen datengetriebener Stadtentwicklung machen möchten. Mit dem Dashboard erhalten die Anwohner*innen eines Kiezes die Möglichkeit, die Informationsgrundlage stadtplanerischer Entscheidungen zu verstehen und ihre eigene Perspektive in die Planungsprozesse einzuspeisen. Ein zentrales Element bildet dabei die Möglichkeit, die Informationsgrundlage für stadtplanerische Entscheidungen mit ihren eigenen Daten anzureichern und auch auf diese Weise zu beeinflussen. Sei es die Jogging-Strecke oder der Arbeitsweg mit dem Fahrrad. Sei es die Messung der Luftqualität am eigenen Küchenfenster oder Daten vernetzter Fahrzeuge, die sie in ihrem täglichen Lebens- und Arbeitsalltag nutzen (oder nutzen möchten). Das Dashboard kann die informationelle Selbstbestimmung auch gegenüber privatwirtschaftlichen Akteur*innen, die den urbanen Raum mitgestalten, unterstützen. Zum Beispiel könnten Bürger*innen über das Dashboard zentral steuern, für welche Geschäfte in ihrem Kiez sie geolokalisierte Werbung bzw. Angebote erhalten möchten. Ein*e Datentreuhänder*in stellt dabei sicher, dass die Daten nicht zu anderen Zwecken missbraucht werden.
Screenshots des Kiezkarthographen. Eine Demoversion finden Sie hier.
Spenden können Bürger*innen über zwei grundsätzliche Mechanismen: Daten neu generieren oder bestehende Daten in die Datenspende überführen. Die Ausgestaltung der Datenspende erfolgt auf Grundlage der EU Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO), insbesondere unter Anwendung des Ansatzes Data Protection by Design (Art. 25 DS-GVO).
Eingebettet wird die Datenspende in ein digitales Bürger*innen-Dashboard sowie eine digitale Beteiligungsplattform mit städtischen und durch Bürger*innen getriebenen Ideen und Konzepten zur Weiterentwicklung des Quartiers. So können die Bürger*innen den konkreten Nutzen einer Datenspende verstehen und die Stadtplanungsprozesse aktiv mitgestalten.
Besonderes Augenmerk erhält bei der Datenspende der vertrauenswürdige Umgang mit den Daten. Zentraler Ausgangspunkt ist die digitale Selbstbestimmung der Bürger*innen. Hierfür wird zunächst im digitalen Bürger*innen-Dashboard über eine geeignete Visualisierung die bisher vorhandene Datengrundlage für stadtplanerische Entscheidungen sichtbar gemacht. Auf dieser Grundlage zielt die digitale Beteiligungsplattform darauf ab, die Hemmschwelle einer aktiven Beteiligung der Bürger*innen möglichst niedrig anzulegen. Ein direkter Beitrag stellt dabei die Möglichkeit dar, die Entscheidungen mit einer eigenen Bewertung der vorgeschlagenen Projekte zu beeinflussen (durch Bewertung vorhandener Initiativen oder Vorschlag eigener Initiativen). Hierbei werden zwangsläufig je nach technischer Ausgestaltung bereits mehr oder weniger personenbezogene Daten erhoben. Die Bedeutung des Beitrags eigener Informationen zur aktiven Gestaltung des eigenen Lebensraumes wird schließlich über die Möglichkeit umgesetzt, gezielt eigene Daten zur Entscheidungsgrundlage stadtplanerischer Projekte beizutragen. Zentrales Design-Prinzip des Dashboards ist damit, Bürger*innen den Nutzen ihrer Daten durch eine entsprechende visuelle Gestaltung sichtbar zu machen – und diesen Beitrag datenschutzkonform über den Ansatz „data protection by design“ zu ermöglichen (siehe art. 25 DSGVO).
Dafür werden insbesondere effiziente Kontrollmöglichkeiten der Datenfreigabe im Hinblick auf erfasste Daten, Zwecke der Verwendung, und Empfänger*innen der Daten bereit gestellt. Methodisch erfolgt dies über eine interdisziplinäre Kombination rechtswissenschaftlicher Konzepte und Methoden (mit Fokus auf die Anforderungen der DSGVO) mit Methoden und Konzepten der Human Interaction Design-Forschung. Dabei stellt das in dieser Konzeptstudie adressierte digitale Bürger*innen-Dashboard nur die für die Bürger*innen sichtbaren Elemente des Lösungsansatzes dar. Um den datenschutzrechtlichen Anforderungen auch auf system-technischer und -organisatorischer Ebene zu genügen, müsste die hinter dem Dashboard liegende Infrastruktur voraussichtlich über eine*n Treuhänder*in ausgestaltet werden. Dieser*m Treuhänder*in obliegt die Kontrolle darüber, dass die Daten von den verschiedenen Akteur*innen nur für die erlaubten Zwecke verwendet werden.
Kontakt:
Prof. Max von Grafenstein – Digital Communication & Self-Determination, UdK Berlin