First And Last Mile im ÖPNV

Unabhängig von der räumlichen Abdeckung des öffentlichen Nahverkehrs und davon welche Mobilitätsmodi irgendwann auf den Straßen verfügbar sein werden – das Gehen wird immer ein Bestandteil urbaner Mobilität sein. Die Gestaltung der ersten und letzten Meile kann ein wichtiger Faktor sein bei der Entscheidung, den eigenen PkW mal stehen zu lassen oder ihn gar nicht erst anzuschaffen. Aus der Perspektive von Städten und Kommunen ist es somit essenziell, die Gehfreundlichkeit und Barrierefreiheit in ihren Kiezen zu fördern, beispielsweise durch die Verbesserung der Infrastruktur, die Etablierung einer Misch-Nutzung oder die Bereitstellung von Alternativen bei unzumutbar langen Wegen. Es liegt somit im öffentlichen Interesse zu verstehen, wie weit Bewohner*innen eines Wohnquartiers zu Fuß gehen müssen, bevor sie in einen Bus oder Zug einsteigen. Wie hängt dies von Tag, Uhrzeit oder Wohnlage ab? Und wo gehen sie dabei entlang?

Verbindungsanfragen als Datenquelle

Aussagekräftige Daten zu erheben ist nicht leicht, schließlich greift das Teilen von Geopositionsdaten immer in die Privatsphäre Einzelner ein. In diesem Kontext können alternative Datenquellen, welche einen Teil der Nutzung widerspiegeln, nützlich sein. Für Neu-Hohenschönhausen haben wir deshalb auf ÖPNV-Verbindungsanfragen zurückgegriffen. Obwohl nicht alle eine (hier betrachtete) App anfragen, bevor sie ihre Reise mit Bus und Bahn beginnen, oder ihre Geo-Position mit der Anwendung teilen – so zeigt sich, dass Verbindungsanfragen mit der tatsächlichen Auslastung der Verkehrsobjekte deutlich korrelieren. Es ist somit naheliegend, Verbindungsanfragen als Datenquelle für Erkenntnisse über die relative Bewegung im Kiez miteinzubeziehen, um daraus Hypothesen abzuleiten und weiterführende Studien zu konzipieren, z.B. im Rahmen von Reallaboren vor Ort.

Interaktive Geo-Visualisierung

Für Neu-Hohenschönhausen haben wir die zuerst vorgeschlagenen Verbindungen zu rund 290.000 Anfragen an Apps und Webseiten der BVG aus dem Zeitraum 21. Juni bis 18. Juli 2017 als interaktive Web-Visualisierung aufbereitet. Aus der Perspektive von Haltestellen wird dabei gezeigt, aus welchem Bereich Anfragen kamen, für die die ausgewählte Haltestelle die erste bzw. letzte auf der angefragten Reise war. Durch die Bereitstellung verschiedener Filter lassen sich die vorgeschlagenen Wegzeiten an verschiedenen Tagen oder zu unterschiedlichen Tageszeiten vergleichen. Statistische Auswertungen zeigen darüber hinaus, wie weit die Bürger*innen von den jeweiligen Haltestellen im Mittel gefahren sind und was die häufigsten Ziele waren. Mit aktuellen und umfangreichen Daten ließen sich somit Erkentnisse über die Attraktivität des ÖPNV für bestimmte Ziele gewinnen, die Nutzung nächstgelegener kleinerer Haltestellen, sowie ein besseres Verständnis über die mutmaßlich zurückgelegten Strecke auf dem Weg zur ersten Haltestelle oder nach Hause.

Diese prototypische Implementierung soll das Potenzial interaktiver privatheitsfreundlicher Datenvisualisierungen im Kontext der Stadtplanung aufzeigen. Durch eine Demokratisierung der Daten aus dem öffentlichen Raum lassen sich Beteiligungsprozesse fördern, welche eine Transformation des Wohnquartiers mit Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen.

Kontakt

Prof. Helena Milhaljevic – Analytics and Big Data, HTW Berlin